Der große Marsch
Was ist Widerstand? Ist Unsterblichkeit ein sinnvolles Ziel? Kann uns die Seegurke retten? Was Lotz‘ Figuren vereint, ist der Wunsch nach Überwindung der sogenannten Wahrheit, bis hin zur Überwindung des Todes an sich. Mit einem Sammelsurium aus Instrumenten betreten die elf Studierenden der Otto Falckenberg Schule die Bühne der Repräsentation und machen sich auf ihren ganz individuellen Marsch durch die Institutionen, die Gesellschaft und die Zeit.
Es ist ein sehr lustiger Abend, der da im Werkraum zu sehen ist. Eingestreut sind zudem der ein oder andere politische oder sozialkritische Bezug, nur um Spaß soll es nicht gehen. Und auch nicht ums reine Schaulaufen des dritten Jahrgangs, obwohl natürlich jeder im Ensemble einmal sein Sternstündchen hat, sich mit einem Monolog präsentieren darf vor dem so lange ausgebliebenen Publikum. Habermehl hat dafür beherzt in die Vorlage eingegriffen, hat umgestellt, gestrichen, dazu gefügt. Bühnenanweisungen lässt sie gerne sprechen, um dann etwas ganz anderes passieren zu lassen. Die Episoden aus Lotz‘ Satire aufs politische Theater versucht sie nicht mit einer Klammer zusammenzuhalten. Das ist mutig, und es funktioniert prächtig.
Das liegt viel an der Spiellust der Darsteller. Souverän kokettieren sie mit dem Publikum, etwa Rasmus Friedrich in seiner Hitler-Parodie. Oder Marie Dziomber, die die stolz-schüchterne Autoren-Mutti gibt. Ein Fünkchen Liebe wissen Jorid Lukaczik und Nathalie Schörken auch aus drei Metern Entfernung zum Glühen zu bringen. Letztlich ist der komplette Jahrgang gut unterwegs. Wenn sie den Spaß in diesem kargen Corona-Jahr noch mal zeigen könnten, wäre dies schön.
Süddeutsche Zeitung, Yvonne Poppek, 09. Juni 2021